Die Mai-Sitzung des St.Galler Stadtparlaments war geprägt von ernsten Debatten rund um Stadtentwicklung, Infrastruktur und Bildungsplanung. Besonders im Fokus: die problematische Situation bei der Sondernutzungsplanung, die weitreichende Konsequenzen für die wirtschaftliche und bauliche Entwicklung der Stadt hat.
Sondernutzungsplanung: Ein drohender Entwicklungsstillstand – und ein Stadtrat ohne Plan
Der dominierende Diskussionspunkt war die dringliche Interpellation zur Sondernutzungsplanung. René Neuweiler hielt der Stadtregierung in einer schonungslos offenen Analyse den Spiegel vor: Wenn nicht rasch gehandelt werde, drohe der Stadt ein faktisches Baumoratorium von bis zu zehn Jahren – mit allen Konsequenzen für Investitionen, Wohnbau und Standortattraktivität.
Zwar gestand der Stadtrat ein, dass die aktuelle Rechtslage zu massiven Verzögerungen bei Bauvorhaben führen könnte. Doch statt offensiv zu handeln, verstrickte sich der Stadtrat in Gesprächsfloskeln und Zuständigkeitsverweise. Eine von Neuweiler vorgeschlagene dringliche Motion im Kantonsrat wurde nicht aktiv unterstützt – obwohl die Stadt selbst am stärksten von der rechtlichen Unsicherheit betroffen ist.
Das Frustniveau war spürbar: Ein Projekt der Wohnbaugesellschaft Russen und Partnern von rund 200-250 Millionen Franken wurde u.A. sistiert, weil keine Rechtssicherheit besteht. Investoren ziehen sich zurück. Die Stadt droht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken – und währenddessen beschäftigt sich der Stadtrat mit der Aufhebung von Parkplätzen. Neuweiler appellierte leidenschaftlich an den Stadtrat, endlich Führungsverantwortung zu übernehmen – und schloss sein Votum mit einem klaren politischen Signal: Wer nicht führen kann, soll Platz machen.
Spelteriniplatz: Kultur und Emotion statt Beton
Eindrücklich war auch das Plädoyer der SVP-Fraktion zur Zukunft des Spelteriniplatzes. Der traditionsreiche Veranstaltungsort – Heimat des Zirkus Knie und Schauplatz des Jahrmarkts – soll einem zweiten Stadtpark weichen. Die SVP machte unmissverständlich klar: Das wäre ein kulturpolitischer Offenbarungseid. Die Platznutzung sei funktional, wirtschaftlich und sozial unverzichtbar – eine Verdrängung des Zirkus wäre für die Stadt nicht nur ein Imageschaden, sondern auch ein symbolischer Verlust an Identität.
Verkehrsinfrastruktur: Ausbau statt Mobility Pricing
Zur Interpellation rund um die Stadtautobahn und Mobility Pricing unterstrich die SVP nochmals ihre Position: Der Ausbau der A1 sei überfällig, ideologisch motivierte Verkehrsverhinderungspolitik hingegen fehl am Platz. «Wer Mobilität will, muss Infrastruktur ermöglichen» – mit dieser klaren Botschaft stellte sich die SVP frontal gegen neue Belastungen wie Mobility Pricing, das faktisch eine Zweiklassengesellschaft auf der Strasse schaffen würde.
Bildungsplanung Grossacker: Reaktive Verwaltung statt proaktive Strategie
Auch zur Schulraumplanung im Quartier Grossacker äusserte sich die SVP kritisch. Die gegenwärtige Planung sei zu passiv – Lösungen kämen erst, wenn der Mangel bereits spürbar sei. Besonders unverständlich: Das Areal des ehemaligen Kinderspitals wird trotz offensichtlichem Potenzial nicht in Betracht gezogen. Es fehle nicht nur an konkreten Massnahmen, sondern auch an klarer Kommunikation und partizipativen Prozessen.
Begegnungszonen: Mehr Ehrlichkeit, weniger Symbolpolitik
In einem weiteren Votum zu den Begegnungszonen zeigte sich die SVP irritiert über die intransparente und aufwändige Umsetzungsstrategie. Umfragen mit fragwürdigem Mehrwert, widersprüchliche Aussagen des Stadtrats und personelle Ressourcen ohne klaren Verwendungszweck werfen Fragen auf. Die Forderung: Schluss mit Symbolpolitik, her mit realitätsnaher Planung.
Fazit:
Die Mai-Sitzung zeigte deutlich: Die SVP-Fraktion verlangt vom Stadtrat mehr als nur Verwaltung – sie fordert Führung, Weitsicht und Effizienz. Besonders das Traktandum zur Sondernutzungsplanung wurde zum Lackmustest für politische Handlungsfähigkeit. Die Stadt St.Gallen steht am Scheideweg – ob sie den Sprung aus der Planungslähmung schafft, hängt nicht zuletzt von der Entschlossenheit ihrer Exekutive ab.